Borkenkäfer im Nationalpark Šumava

Aufgrund der deutschen Strategie im Nationalpark Bayerischen Wald nach 1983 die Borkenkäfer nicht zu bekämpfen, breitete sich der Borkenkäfer auch über die Grenze nach Tschechien aus. Der Borkenkäfer kommt allerdings nicht nur aus Deutschland, vielmehr ist der Buchdrucker in jedem Fichtenwald heimisch und kann sich durch die klimatischen Veränderungen sowie Sturmereignisse wie dem Orkan Kyrill 2007 auch im Šumava gut verbreiten.

 

Borkenkäferbekämpfung Nationalpark Šumava

Die Naturzone im Nationalpark Šumava beträgt heute nur 13% (8.840 ha) und ist auf 135 einzelne Teilflächen zerstückelt. Das Bayerisch/Tschechische Memorandum von 2005 vereinbarte eine Erweiterung der Naturzone auf 30% bis zum Jahr 2010. Ein weiteres Memorandum von 2010 über eine gemeinsame Borkenkäferstrategie beschließt für den Großteil der direkt an den Nationalpark Bayerischen Wald anschließenden Šumava-Flächen auch einen Stopp der Borkenkäferbekämpfung selbst wenn dieses nur Flächen der Entwicklungs-Zone II betrifft. Das Nichteingriffsgebiet auf der tschechischen Seite des Lusengipfels existiert seit 1995. Man verzichtete dort auf Borkenkäferbekämpfung, die als aussichtslos eingeschätzt wurde. Diese Entwicklungszone II, in der nicht eingegriffen wird, ist derzeit nach Angaben des Umweltministeriums 6.644 ha (ca. 9,8% des NLP) groß. Diese Fläche sollte als erstes in die Natur-Zone I umgewandelt werden. Die Naturzone I wurde aber bis 2010 nicht erweitert.

Borkenkäferbekämpfung machte in der Vergangenheit auch vor der Naturzone keinen Halt. Dort allerdings ohne Einsatz von Pestiziden und Beschränkung schwerer Technik. In Zone I können Windwurf- und Borkenkäferhölzer gefällt, entrindet und im Bestand belassen werden. Für verschiedene Teilbereiche der Zone I wurden zwischen 1999 bis 2007 Sondergenehmigungen zur regulären Bekämpfung des Borkenkäfers erteilt. In der Zone II wird herkömmlich bekämpft: durch Fällen, entrinden (20% des anfallenden Holzes wurden chemisch behandelt) und Abtransport der befallenen Bäume. Ein genereller Verzicht auf normale forstwirtschaftliche Nutzung der Zone II oder III besteht im Nationalparkplan nicht.

NLP Sumava Holzeinschlag Entwicklung
Quelle: Nationalpark Sumava Stand 19.3.2016
und K. Meyer 2001

Aufgrund politischer Gegebenheiten (Umweltminister der grünen Partei) wurde zwischen 2007 und 2009 der Borkenkäfer in der Naturzone I nicht bekämpft. 2010 und 2011 gab es einige Wechsel im tschechischen Umweltministerium und in der Nationalparkleitung. Der seit 2011 eingesetzte Nationalparkleiter Jan Stráský (70 Jahre, Mitglied der Neoliberalen demokratischen Bürgerpartei, studierte Philosophie und Ökonomie, ehemals Gesundheitsminister und Verkehrsminister) hat als eine seiner ersten Amtshandlungen die wissenschaftliche Abteilung des Nationalpark-Beirats aufgelöst und will geschützte Bereiche des Nationalparks für Infrastrukturprojekte verkleinern, die Randzone des Parks mit strenger Borkenkäferbekämpfung auf 1.000 m ausweiten, und in der Naturzone I Pestizideinsatz und schwere Maschinen zulassen. Auch ein „Notstand“ sollte wegen den Borkenkäfern ausgerufen werden (was von der Politik abgelehnt wurde). Stráský hält das Memorandum von 2005 mit der Naturzonenausweitung bis 2010 auf 30% für „ausgelaufen“. Seiner Ansicht nach hatte der Amtschef des Umweltministeriums gar keine Berechtigung diese zu unterschreiben.

NLP Sumava Polednik Kahlschlag

Der jetzige Umweltminister Tomas Chalupa handelte im April 2011 einen Kompromiss aus, der Pestizide und Harvester aus der Naturzone I verbannt, allerdings Fällung, Entrindung mit anschließendem Liegenlassen des Holzes auf 2.686 ha der Naturzone I zulässt. Somit wird die Fläche, in der nicht eingegriffen wird auf 18,7% des NLP reduziert (Naturzone I ohne Eingriff 6.517 ha + Entwicklungszone II ohne Eingriff 6.644 ha = 12.801 ha). Eine Aussage zu den übrigen Flächen gab es bislang vom Umweltminister nicht, außer dass eine Pestizidbehandlung aus der Luft nicht in Frage kommt und auch Pestizideinsatz in Wassernähe weiter verboten bleibt.

Der Staatspräsident Václav Klaus und der Umweltminister Tomas Chalupa besuchten im Juni 2011 den NLP-Šumava. Sie unterstützen den Vorstoß, konsequent den Borkenkäfer zu bekämpfen – sei es auch durch Verkleinerung der Naturzone.

Im Dreiländereck (Tschechien/Bayern/Österreich) befindet sich auf 593 ha der größte und best erhaltende urwaldartige Bergfichtenwald Mitteleuropas „Trojmezná“. Schon 1933 wurde dieses einmalige Gebiet unter Schutz gestellt. Das Gebiet wurde als Naturzone I ausgewiesen. Auch hier wurde 1999 die Borkenkäferbekämpfung gegen den Rat der Experten genehmigt. Tschechische Wissenschaftler kommentierten dieses Vorgehen: „Währenddessen nach dem Wüten des Borkenkäfers der Urwald ein Urwald bleibt, zerstören Motorsägen den Urwald für immer. Es ist als wollten wir die traditionsreiche Burg Karlstejn dadurch retten, dass wir sie in Schutt und Asche setzen und danach aus Beton neu aufbauen“. Der Protest der Umweltbewegung gegen die Abholzung half damals und konnte so dieses einmalige Urwaldgebiet retten. Über 1.200 Wissenschaftler wandten sich im September 2009 an den tschechischen Regierungspräsidenten mit einem die Nationalparkziele unterstützenden Brief und zeigten dabei auch auf die erfolgreichen Ergebnisse der Naturwaldentwicklung im NLP Bayerischer Wald.

Nationalpark Sumava Polednik Kahlschlag
Nationalpark Šumava Poledník, Kahlschlag
Nationalpark Sumava Prasily Holzeinschlag
Nationalpark Šumava Prášily, Holzeinschlag
Nationalpark Sumava Holzlagerung
Nationalpark Šumava, Holzlagerung

Im Juli 2011 blockierten Umweltaktivisten der Organisation Friends of the Earth Tschechien (Hnutí Duha) Baumfällarbeiten und Entrindungsmaßnahmen in einem ökologisch sensiblen Waldgebiet der Zone II zwischen Modrava und dem Lusen. Die Räumung der Baumbesetzer durch ein Spezialkomando der Polizei unter Anwendung von Gewalt erzeugte internationale Betroffenheit.

Während sich das Bayerische Umweltministerium – das für die Nationalparks in Bayern zuständig ist – aus den Vorgängen im benachbarten NLP Šumava im Jahr 2011 heraushält, führt das Bayerische Forstministerium mit den tschechischen Nachbarn Gespräche über die Ausweitung der NLP Šumava Randzone auf bis zu 1.000 m. Mit den österreichischen Nachbarn des Großwaldbesitzes Stift Schlägl wurde im Mai 2011 die Ausweitung der Randzone von 200 m auf 500 m beschlossen.

Auch das expandierende österreichische Skigebiet Hochficht weckt Begehrlichkeiten im Südzipfel des NLP Šumava nach einem Lift und einer Skipiste.

Im Januar 2012 wurde vom Umweltminister ein Gesetzesentwurf zum Nationalpark Šumava vorgelegt. Neben einer Skilifttrasse im Süden den Nationalparks zum Skigebiet Hochficht, soll die Zonierung neu strukturiert werden. 22,08 % soll in eine Naturzone I ohne Eingriffe überführt werden. 4,46 % soll mit befristeten Eingriffen ausgewiesen werden. Eine Erweiterungszone von 8,49 % der Fläche soll für zukünftige Erweiterungen der Naturzone noch zur Verfügung gestellt werden. Weitere Flächen sollen in den nächsten Jahren nicht mehr in die Naturzone überführt werden. Auf der restlichen Fläche kannl die Forstwirtschaft nicht mehr streng untergeordnet von Naturschutzregeln durchgeführt werden.

Defakto ist dieses eine Abkehr von den internationalen Kriterien für Nationalparks, in denen 75 % - spätestens nach 30 Jahren vollkommen natürlich entwickeln dürfen. Zwar würde die Naturzone um paar Prozent größer als heute, aber eine mittel- oder langfristige Entwicklung in Richtung 75 % würde durch die geplante drastische Verkleinerung der Erwicklungszone von heute 77 % auf knapp 13 % der Fläche unwahrscheinlich.

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Nationalpark unter Druck von Borkenkäfern (PDF): NLP Bayerischer Wald & Šumava, NLP Šumava